Rezension von Lena, 19 Jahre alt
In einer unbekannten Zukunft hat sich England von allen
internationalen Verbindungen losgesagt und wird nur noch von Frauen regiert.
Männer sind aus der Gesellschaft ausgeschlossen und werden in hermetisch
abgeriegelten Internaten von Geburt an zu absolutem Gehorsam und Unterwerfung
erzogen. Maxine hat gerade ihren Schulabschluss gemacht und blickt auf eine
strahlende Zukunft: Ihre Mutter ist Politikerin und Maxine hat vor in ihre
Fußstapfen zu treten. Da kommt ihr das Projekt, das ihre Mutter aufs Auge
drückt, leider ziemlich in die Quere. Ausgerechnet sie, die regeltreue Maxine,
soll für mehrere Wochen in einem Jungeninternat leben und dort die fünf besten
Zehnkämpfer aussuchen, die dann an den Olympischen Spielen in Hamburg teilnehmen
sollen. Maxine ist sich sicher, dass sie keinen der Jungs in ihre Nähe lassen
wird, schließlich sind Jungs Tiere, die nichts als ihre Triebe kennen! Aber je
länger Maxine Zeit mit den Jungs verbringt, desto mehr Unstimmigkeiten fallen
ihr auf. Wie gerecht ist eine reine Frauengesellschaft wirklich?
Puh. Also… Dieses Buch hat mich umgehauen. Ich bin echt
baff, wie unerwartet heftig es ist, denn ich war eigentlich auf der Suche nach
leichter Lektüre für eine Freistunde. Leicht zu lesen sind die Bücher immer noch,
der Schreibstiel ist sehr flüssig, man liest alles in einem Rutsch. Aber das
liegt auch vor allem an der Spannung, die das gesamte Buch über da ist. Auch
der Cliffhanger ist echt übel, ich bin sehr froh, dass ich gleich mit dem
zweiten Band weitermachen konnte. „Virgo Hearts“ ist nämlich der Auftakt einer
Trilogie, die ich noch nicht ganz zu Ende gelesen habe, es aber kaum erwarten
kann, zu erfahren, wie es ausgeht. Gleich am Anfang der Reihe wird man mit den
harten Fakten konfrontiert: Die Verbrechensrate in England ist auf fast Null
gesunken, es gibt keine Vergewaltigungen mehr. Das sind alles erstrebenswerte
Dinge, an deren Umsetzung unsere heutige Gesellschaft leider scheitert.
Trotzdem ist auch in Maxines Land längst nicht alles in Butter, denn schließlich
wird eine Bevölkerungshälfte unterdrückt und einer sogenannten Behandlung
unterzogen, die nicht nur impotent macht, sondern bei vielen zu Depressionen
führt. Maxine erfährt erst von der Brutalität dieser Behandlung, als die von
ihr aussortierten Athleten sofort „behandelt“ werden. Das Gruseligste: Danach
verschwinden diese Jungen komplett aus dem Geschehen des Buches, sie werden
nicht wieder erwähnt. Maxine ist zunächst sehr linientreu und ekelt sich sogar
vor Liebesfilmen, in denen Paare sich küssen, weil sie dies als Zeichen
weiblicher Unterwerfung ansieht. Die englische Gesellschaft lebt nämlich
komplett enthaltsam und kennt keine Art der romantischen Liebe, was in Hamburg
zu einigen witzigen Missverständnissen führt.
Trotz allem Humor und der Tatsache, dass es ein Jugendbuch
ist, wird mir „Virgo Hearts“ vor allem dafür in Erinnerung bleiben, wie
gruselig unbeschwert Maxines Leben vor ihrer Zeit im Internat war. In den
meisten Dystopien geht es nämlich nicht um linientreue Menschen, das ist hier anders.
Maxine verschwendet nicht einen Gedanken daran, wie es den Männern geht und
sieht in ihnen am Anfang nichts als Objekte und Tiere. Wie schnell sich die
Rolle des Opfers zu der des Aggressors wandeln kann, wird in dem Staatssystem
sehr klar. Eine Reihe, die mir vermutlich noch etwas nachhängen wird und die
man als junge Frau lesen sollte…
5 von 5 Sterne
Virgo Hearts
von Leslie Delhaes
Kindle Original
ASIN: B08K7GFRZM